Wie ein kreatives Lern- und Mitmachangebot für Kinder und Pädagogen entsteht
Kinderbücher bieten für mich als Grundschullehrerin eine tolle Arbeitsgrundlage. Sie liefern meinen SchülerInnen und mir eine Geschichte, die wir uns gemeinsam im Unterricht erarbeiten. Ausgehend von einem schönen Leseerlebnis, durch Vor- oder Selbstlesen, bieten Bücher ein kreatives und fächerübergreifendes Lernangebot.
Unter den Kinderbüchern sind Bilderbücher in Kita, Vorschule und Grundschule der Klassiker. Doch auch Vorlese- und Selbstlesebücher sind für den Einsatz in Kita, Vorschule bzw. Grundschule geeignet. Die meisten Kinderbücher umfassen Alltagsthemen, moralische Schlussfolgerungen oder aber nehmen die Kinder mit auf eine fantastische Reise. Grundsätzlich bieten sie alle einen Gesprächsanlass. Die sprachliche Förderung spielt in der Kita eine wichtige Rolle und wird in der Grundschulzeit durch kreative Schreibaufgaben ergänzt. Eine Begleitlektüre kann somit zu den meisten Kinderbüchern erstellt werden.
Ziel dieser Lektüren sollte der sinnhafte und unkomplizierte Einsatz in Kita und im Unterricht sein. Aus Sicht als Grundschullehrerin muss eine Begleitlektüre lehrplankonform sein, sprich sie sollte Elemente des schriftlichen Sprachgebrauchs mit einschließen. Vereinfacht gesagt: Leseanlass, Erzähl- und Schreibanlass, je nach Jahrgangsstufe. Doch wie gehe ich das Ganze an? Anhand meiner Begleitlektüre zu meinem Bilderbuch DAS KAMUFFLON möchte ich euch den Aufbau und die Kriterien eines solchen Heftes zusammenfassen.
Eine Begleitlektüre gliedert sich in drei Bereiche:
Inhaltliche Zusammenfassung des Buches,
Einsatzmöglichkeiten des Buches sowie
kreative Mitmach- und Lernangebote
entsprechend der Altersstufen in Form von Kopiervorlagen.
Zum Buchinhalt
Hier wird eine ausführliche Inhaltsangabe zum Buch geschrieben, die Pädagogen einen Einblick von Anfang bis Ende in die Geschichte liefert. Zudem werden Hintergrundinformationen zur Geschichte gegeben und die Thematiken detailliert erläutert. Was will ich mit meinem Buch den Kindern vermitteln? Welche Möglichkeiten bietet die Geschichte, um mit den Kinder darüber ins Gespräch zu kommen und ihnen Schreibanlässe zu geben?
Des Weiteren folgt eine umfangreiche Vorstellung der Protagonisten. Hier besteht die Möglichkeit weitere Hintergrundinformationen, die ja gerade bei Bilderbüchern nicht im Text vorkommen, darzustellen. So bieten wir Pädagogen die Möglichkeit, unsere Autorengedanken, die wir bei der Buchentstehung hatten, nachvollziehen zu können.
Die Einsatzmöglichkeiten in KiTa, Vorschule und Grundschule
Macht euch eines immer bewusst: Auch Bücher mit wenig Text, sind hervorragend geeignet, um im Grundschulunterricht zum Einsatz zu kommen. Überlegt euch hierfür, wie ihr euer Buch in Leseabschnitte unterteilen könnt und erstellt eine Übersicht, die gleichzeitig die nachfolgenden Lernangebote umfasst.
Ein Buch bietet unterschiedliche Einstiegmöglichkeiten: Ich kann den Kindern ein Puzzle des oder der Protagonisten vorlegen (Was als Kopiervorlage in der Belgleitlektüre enthalten ist.) Ich kann das Cover zeigen und den Titel vorlesen und die Kinder vermuten lassen, was sie glauben, um wen es geht, wer das Wesen, im Falle des Kamufflons, ist, was wohl in der Geschichte passiert.
Ich habe als Pädagogin aber auch die Möglichkeit, die Geschichte einfach vorzulesen, mit Lesepausen (dafür ist die Voreinteilung in Leseabschnitte hilfreich) oder aber im Ganzen. Diese Möglichkeiten sollten in jeder Begleitlektüre aufgezeigt werden, denn wir Pädagogen haben gerne etwas in der Hand, womit wir auch wirklich arbeiten können.
Kreative Lernangebote als Kopiervorlage
Hier sollte die Reihenfolge nach Altersstufe erfolgen. In meiner Begleitlektüre sieht dies wie folgt aus:
Puzzle des Protagonisten
Ausmalbilder
Lesezeichen basteln
Stabpuppen-Bastelanleitung, Kopiervorlage und Beispielbilder
Theaterkulissen-Bauanleitung für ein Stabpuppentheater
Kamufflon-Welt im Schuhkarton als Bastelanleitung
Freundschaftsbänder flechten
Deckblatt für das Buch-Begleitheft (Name, Klasse)
Steckbrief (Blankovorlage mit Name, Aussehen etc.)
Personen-/ Protagonistenbeschreibung
Thematiken des Buches beschreiben lassen, als Frage aufwerfen (Beim Kamufflon ist es u.A. seine Einsamkeit mit der Frage Was machst du, wenn du dich einsam und alleine fühlst?)
Wie geht die Geschichte wohl an der Stelle weiter? Wer kommt jetzt hinzu?
Einen Dialog zwischen den Protagonisten schreiben (Hierfür eine Schlüsselszene auswählen)
Wie geht die Geschichte aus? Beschreibe das Ende.
Schreibe die Geschichte um.
Faltbuch-Vorlage (Eine solche Blankovorlage kann als roter Faden für eine Bacherzählung oder Abänderung der Geschichte dienen)
Bildkarten zum Buch
Aufgaben rund um das sinnentnehmende Lesen und Schreiben
Bildbeschreibung zu verschiedenen Szenen
Figurenbeschreibung
Reimeschreiben leicht gemacht – Übungen und Anleitung zum Reimen und Elfchen-Schreiben
Das Stabpuppentheater bietet Kindern in Kita und Schule eine tolle kreative Auseinandersetzung mit dem Buchinhalt. Außerdem werden die Kinder zum mündlichen Sprachhandeln angehalten, was einen Bereich des Lehrplans im Fach Deutsch ausmacht.
Fächerübergreifend kann in Kunst gebastelt und gebaut oder aber in Musik musiziert werden. Hier sind eurer Kreativität keine Grenzen gesetzt. (Überlegt euch ein Lied oder eine Bodypercussion mit Text passend zum Buch. Kinder lieben so etwas!) Vielleicht bietet euer Buch auch einen sachunterrichtlichen Hintergrund und thematische Bearbeitungsmöglichkeiten, in Form von Wissenserwerb durch Sachtexte, die passend als Lesetexte erstellt werden, Steckbriefvorlagen zu Tieren oder Pflanzen, Experimente zu Naturelementen etc.
Wichtig ist darauf zu achten, dass die Arbeitsaufträge von Grundschulkindern selbst gelesen werden und somit kindgerecht formuliert sein müssen und nur wenig Text umfassen sollten. Außerdem sollte eine Schriftart gewählt werden, bei der das kleine „a“ der Schulschrift entspricht (Dies ist beispielsweise bei Architects Daughter der Fall.). Achtet auf eine passende Schriftgröße (Überschrift des AB Größe 18, Aufgabentext 14, Zeilenabstand 1,5). Setzt möglichst wenig optische Reize auf das Arbeitsblatt.
Weniger ist mehr!
Schnörkellinien, Illustrationen, Schmuckrahmen, Bildchen o.Ä. sehen zwar schön aus, erfüllen aber keinen Zweck oder Lernzuwachs, es lenkt maximal von der eigentlichen Aufgabenstellung ab. Wählt präzise aus. Eine passende Illustration zum Arbeitsauftrag reicht vollkommen aus. Bestenfalls eine passende Buchszene.
Die Begleitlektüre hat keinen Anspruch auf Farbseiten. Schwarz-Weiß ist vollkommen ausreichend.
Es gibt keinen Richtwert für die Seitenzahl einer solchen Begleitlektüre. Sie sollte allerdings Auswahlmöglichkeiten bieten, die sich an die Lerngruppe anpassen lassen. Aufgaben lieber offen formulieren und gestalten als zu eng. Dies gilt gerade für die schriftliche und sprachliche Auseinandersetzung mit dem Buch. Manche Arbeitsblätter umfassen offene Arbeitsaufträge, bei denen es mehrere Möglichkeiten gibt, manche hingegen haben nur eine richtige Lösung. Erstellt hierfür gerne direkt ein Lösungsblatt. Dies kann dann den Kindern als Selbstkontroll-Möglichkeit bereitgelegt werden.
Ich habe meine Begleitlektüre in Word erstellt und dann in PDF-Format für den Druck umgewandelt. Zudem habe ich eigene Illustrationen verwendet, für die ich die Rechte habe. Auf Schreiblinien habe ich bewusst verzichtet, da dies von Jahrgangsstufe zu Jahrgangstufe unterschiedlich ist. Manchmal ziehen sich Kinder auch selber Linien zum Schreiben oder Verwenden eine Linien-Vorlage zum drunter legen.
Beispielseiten für Arbeitsblätter zum kreativen Schreiben und Reimen (PDF):
Denkbar sind für jüngere Kinder natürlich auch Rätsel, ein Quiz, Spiele rund um das Buch, Kreuzworträtsel o.Ä.
Überlegt, was euer Buch vermitteln soll und entscheidet euch für kreative Einsatzmöglichkeiten. Blättert mal in verschiedenen Begleitlektüren zu Kinderbüchern und verschafft euch einen Überblick über das was möglich ist. Legt euren Fokus auf Kita und Grundschule. Pädagogen passen Aufgaben altersentsprechend an ihre Lerngruppen an.
KINDER LIEBEN BÜCHER! KINDER LIEBEN MITMACHANGEBOTE ZU IHREN BÜCHERHHELDEN! KINDER SPRECHEN UND SCHREIBEN LIEBENDGERN ZU TOLLEN GESCHICHTEN AUS BÜCHERN! PÄDAGOGEN GREIFEN GERNE AUF GUT VORGEARBEITETES MATERIAL ZURÜCK!
Also, lasst euch nicht von Lehrplänen und Richtlinien abschrecken, sondern zeigt, was in eurem Buch steckt!
Gastbeitrag von:
Claudia Höwing, Grundschullehrerin und Kinderbuchautorin
Für ihre drei Kinder erschuf sie das Fantasiewesen DAS KAMUFFLON, welches sie 2020 als gleichnamiges Bilderbuch veröffentlichte. Seitdem brachte Claudia weitere Bücher sowie eine Begleitlektüre über BoD (Books on Demand) heraus. Mit ihren Geschichten möchte sie nicht nur ihre eigenen Kinder, sondern auch viele andere LeserInnen begeistern und glücklich machen.
Mehr von und über Claudia auf ihrer Website: www.kamufflon.de
Claudia auf Instagram: @kamufflon
Gastbeitrag von Alina Gries
1.) Welches Medium ist das Richtige für mich, um mein Kinderbuch zu präsentieren? ?
Ob Radio, Fernsehen, Magazine oder Zeitung – die Möglichkeit an die Presse zu gehen, ist groß. Am besten hangelt man sich an unterschiedlichen Faktoren entlang.
Beginnen wir zuerst einmal bei der Lokalzeitung – das ist zu Anfang vielleicht etwas einfacher. Meistens in Form eines Anzeigenblattes als Amtszeitung berichten die Lokalzeitungen, was vor Ort passiert – und das in wirklich allen Bereichen.
Wohnst du bspw. in Stadt X, kommst aber gebürtig bzw. hast eine Zeit lang in Stadt Y gewohnt, empfehle ich unbedingt beide Lokalzeitungen zu kontaktieren.
Ähnliches gilt für eine Lesung in Stadt A, auch das könnte für die Zeitung vor Ort interessant sein.
Je nach Themenlage oder was du persönlich vielleicht auch zu erzählen hast, unbedingt erwähnen und damit auch das Regionalradio, die Regional- bzw. Tageszeitung oder auch das Fernsehen kontaktieren – ebenso wie Kinderzeitungen und -magazine. Probieren geht immer!
2.) Wie finde ich eine Kontaktperson für die entsprechende Rubrik, in der ich meinen Artikel sehen würde?
Das ist eigentlich gar nicht so schwer. Oft – gerade bei den Lokalzeitungen – gibt es die Möglichkeit auf der Internetseite direkt einen Ansprechpartner für ein bestimmtes Gebiet herauszufinden.
Suche nach Artikeln und wer sie geschrieben hat oder schau dir die Internetseiten als Teamvorstellung intensiv an.
3.) Wie stelle ich einen ersten Kontakt her?
Habt nicht zu viel Angst vor diesem Schritt! Ohne dass ihr euch meldet, erfährt auch niemand von eurem Projekt. Traut Euch! RedakteurInnen freuen sich über Eigeninitiative. Am besten ihr schreibt eine Mail und ruft ein paar Tage später noch einmal an, ob ggf. noch weitere Dokumente benötigt werden oder stellt in Aussicht, dass ihr euch über ein persönliches Gespräch freut.
Bietet doch auch an, den Artikel mit einem Gewinnspiel zu kombinieren.
4.) Wie schicke ich meine Geschichte an die Presse?
Diese Frage muss noch einmal getrennt betrachtet werden. Natürlich könnt ihr eine einfache Mail schreiben, dass ihr ein Buch veröffentlicht habt, mit kurzen Infos und einer Nachfrage, ob man euch interviewen wolle. Aber um direkt präsent zu sein, formuliert doch eine Pressemitteilung vor.
Wer seid ihr?
Was habt ihr zu erzählen?
Worum handelt es sich bei eurer Geschichte?
Für welche Altersgruppe ist die Geschichte gedacht?
Wo kann ich das Buch kaufen (ggf. mit Angabe der ISBN)?
Durch solche Informationen kann die Redaktion direkt entscheiden: passt das Buch zu meinem Medium? Haben wir vielleicht Sonderseiten geplant? Steht ein Magazin an, in das die Geschichte noch besser passen würde?
5.) Was wird von der Presse immer wieder gesucht? An welchen Themen könnte ich mich orientieren? An welchen Feiertagen, Jahreszeiten, Terminen könnte ich mich orientieren? Wie viel Vorlauf muss ich einplanen?
Erscheint die Zeitung immer an gewissen Wochentagen, dann plant das ein. Wenn Euer Buch bspw. an einem Mittwoch erscheint und die Zeitung wird dienstags veröffentlicht, ist es nicht schlau, sich erst an dem Montag an die Presse zu wenden. Gebt hier Vorlaufzeit.
Also nochmal: Traut Euch! Habt ihr das Buch z.B. aufgrund eines Urlaubs „down under“ geschrieben? Welche persönliche Erfahrung habt ihr vielleicht in den Text eingebaut? Kennt ihr den oder die IllustratorIn seit der Schulzeit oder seid ihr beruflich eigentlich eher in einem ganz anderen Umfeld tätig? Erzählt doch einfach mal!
Habt ihr eine Lesung geplant oder hat sie bereits stattgefunden? Ladet den oder die RedakteurIn ein oder verfasst hinterher selbst einen Text oder ist die Veranstaltung öffentlich, dann lasst euch doch im Kalender listen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Steht der Kontakt einmal, könnt ihr eure Ansprechperson immer wieder mit neuen Infos versorgen.
6.) Was gehört zu den Dingen, die ich im Vorfeld vor dem Kontakt zur Presse vorbereiten könnte?
Fotos! Nicht immer ist eine FotografIn verfügbar und auch die RedakteurIn hat nicht immer die Zeit, persönlich zu einem Termin zu erscheinen. Schickt daher immer ein Foto mit. Besser noch: Mindestens zwei, denn der Artikel muss ja mit anderen News kombinierbar sein, da muss das Bild vielleicht verkleinert oder vergrößert werden, als Hoch- oder Querformat zurechtgeschnitten werden. Achtet daher auch unbedingt auf eine hohe Auflösung (300 ppi sind optimal). Ein Foto mit 80 KB ist unbrauchbar.
Vielleicht könnt ihr zusätzlich noch ein Rezensionsexemplar mitsenden, damit die RedakteurIn auch weiß, wovon sie schreiben soll (dies ggf. auf Rückfrage).
7.) Was ist dir ansonsten als Tipp für AutorInnen wichtig?
Ich habe nun schon öfter gehört, dass ein Artikel nicht veröffentlicht wurde, weil es als Werbebeitrag gelten würde und man eine Anzeige schalten müsse. Gestaltet daher Eure Pressemitteilung nicht zu werblich, sondern bringt eben diesen persönlichen Charakter ein. Als Beispiel wie ein Artikel und ein Interview laufen können, erfahrt ihr über den Selfpublisher-Autor Andreas Hagemann:
https://www.instagram.com/p/BF0pNDuHA47/ (Artikel 1)
https://www.instagram.com/p/B1vVy_nA23q/ (Artikel 2)
Herzlichen Dank an Alina – und lasst uns in der KinderbuchManufaktur gerne wissen, wie eure Pressearbeit aussieht und was ihr aus diesem Beitrag mitnehmen konntet!
Hier erfährst du mehr über Alina und ihr aktuelles Buchprojekt:
Alina ist Mitglied der KinderbuchManufaktur und Kinderbuchautorin.
Schreiben ist schon seit ihrer Kindheit eine Leidenschaft. Während ihrer Tätigkeit als Lokalredakteurin kam sie enger in Berührung mit den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit. Aktuell arbeitet sie zu diesem Thema an ihrem ersten Kinderbuch: "Egon Eichhorn".
Ihre Website: www.egoneichhorn.de
Bonus für Mitglieder der KinderbuchManufaktur:
Um eine grobe Orientierung zu geben, wie eine Pressemitteilung aussehen könnte, hat Alina ein Beispiel für unsere Mitglieder verfasst. Ihr findet die PDF-Datei im Download-Bereich (ganz unten auf der Hauptseite des MitgliederBereichs).
Dies ist einfach nur ein Vorschlag, bringt ruhig eure eigenen Erfahrungen ein. Eine richtige oder falsche Pressemitteilung gibt es nicht.
Das Tagebuch, ein Schatz!
Du würdest als KinderbuchautorIn gerne auf Tagebucheinträge aus deiner eigenen Kindheit zurückgreifen, hast aber kein Tagebuch geführt?
Ann-Kristin Vinterberg ist Mitglied der KinderbuchManufaktur und zeigt in ihrem Gastbeitrag, wie du das heute nachholst und wie das deine Texte bereichern kann!
"Im Wohnzimmerschrank hütete meine Mutter eine Murex Muschel. Sie schimmerte rosa, streckte ihre Stacheln aus und drehte sich spiralenförmig wie eine Wendeltreppe. Innen schimmerte sie hell, fast silbrig; für mich war sie ein Gruß aus einer anderen Welt. Ich hatte noch nie das Meer gesehen, nur davon gehört.
Vorsichtig nahm ich die Muschel in meine Hände, voller Angst, diese Kostbarkeit zu zerbrechen, und dann presste ich sie ans Ohr, hielt die Luft an und lauschte. Welche Geschichte würde sie mir heute zuraunen? Hatte sie schillernde Korallen gesehen? Bunte und leuchtende Fische? Hatte sie dem Gespräch der kleinen Meerjungfrau mit der bösen Hexe gelauscht? Oder aber dem Seufzen der Wellen, die von fernen Ländern erzählten, vom Heimweh der kleinen Nixe? Heimweh wusste ich, was war, ich konnte kaum von zu Hause weg ohne dass sich mein Herz schmerzhaft zusammenzog.
Das Meer weckte eine Sehnsucht in mir, einen Durst nach Freiheit, Weite, Offenheit und Kraft. Wenn ich die Muschel an mein Ohr drückte und die Augen so fest schloss, dass ich Sternenstaub von Farben sah, passierte es.
Es war wie ein Wunder. Ich hörte das Rauschen des Meeres, den Gesang der Freiheit. Es flüsterte, raunte, wisperte und seufzte zu meinem Herzen. Erzählte seine Geschichten. Ich musste ihm nur noch die Worte leihen.
Im Tagebuch die Magie der Kindheit wieder entdecken
Das ist Magie. Die will ich als Autorin einfangen. Vor allem, wenn ich für Kinder schreibe.
Doch wie kann ich etwas einfangen, was längst verflogen ist? Was sich ins Land der Erinnerungen zurückgezogen hat und seinen Zauber mit sich nahm?
Heute wohne ich am Meer, in Kopenhagen, der Stadt der kleinen Meerjungfrau. Immer wenn ich sie sehe, erinnert sie mich an diesen Augenblick mit der Murex Muschel. Und auch wenn die Magie der Kindheit mit den Wellen der Zeit entschwunden ist, so ist sie für mich nur ein paar Schritte weg. Bis nach Langelinie zur kleinen Meerjungfrau?
Nein, noch viel kürzer. Weder du noch ich müssen bis ans äußerste Meer reisen. Es reicht, einen Stift und ein Papier zu nehmen, um mit dem Tagebuch in die Welt der Kindheit einzutauchen. Denn ich kann in diese wunderbare Welt immer und immer wieder eintauchen, indem ich schreibe. Und du kannst es auch.
Zum Internationalen Tag des Tagebuchs möchte ich dich einladen: Entdecke des Tagebuchschreiben. Reise in deine Kindheit. Öffne die Schatztruhe deiner Erinnerungen, und lasse das lebendig werden, was deinen Geschichten – egal ob du für große oder kleine Leute schreibst – das Gewisse etwas gibt, deinen Fingerabdruck, deine persönliche Stimme.
Was Harry Potters Zauberstab mich lehrte
Kinder und Erwachsene sind von Harry Potter fasziniert. Ja, es liegt auch am spannenden Verlauf der Geschichte. Aber nicht nur. Ich glaube, es hat vor allem damit zu tun, das sich für Harry im 11. Lebensjahr eine neue Welt öffnet, voller Zauber, Magie, neuer Möglichkeiten, auch Gefahren, ja sicher. Gleichzeitig entdeckt er, dass er sich diesen Herausforderungen stellen muss, dass ihm Mut und Kraft wachsen, um sich ihnen zu stellen.
Der kleinlich langweilige Alltag platzt wie Popcornmais - und da entdeckt der Leser an Harrys Seite: Da ist ja noch etwas ganz anderes! Eine andere Welt versteckt sich hinter den Dingen, eine magische Welt, es gibt so viel mehr als das, was wir nur mit den Augen sehen oder gerade vor Augen haben.
Es gibt einen tieferen Sinn in vielem, was wir erleben, und auch in uns steckt so viel mehr und anderes als das, was wir hier und jetzt sehen: Der graue Alltag mit seinem manchmal langweiligem Einerlei.
Diese Sehnsucht schlummert in mir, wenn ich Tagebuch schreibe. Ich will diese Welt, mich selbst verstehen, ich will begreifen, wie ich zu der Frau geworden bin, die ich heute bin. Ich will die Welt hinter und über den sichtbaren Dingen erforschen.
Diese Sehnsucht steckt, glaube ich, in allen Menschen, und für mich ist sie eine der kostbarsten Sehnsüchte, das Wertvollste, was wir haben. Sie hält uns lebendig, macht uns nachdenklich, lässt uns suchen, träumen, kreativ werden, hilft uns zu finden und zu entdecken.
Und wenn wir diese Sehnsucht in unserem Alltag ernst nehmen, lernen wir zwar nicht gleich zaubern wie Harry Potter, aber unser Leben verändert sich. Es erhält neue Farben, es bekommt eine neue Blickrichtung, mehr Tiefe, mehr Sinn. Auch das ist eine Art Zauber.
Das Zauberwort für Tagebuchschreiber
Tagebuchschreiben ist populär und für mich eine der besten Übungen für Autor*innen. Da erforschst du den Dschungel deiner Kindheit, hebst verborgene Schätze, du fabulierst, erzählst, improvisierst, klagst und jauchzt. Du macht den Moment unvergänglich und zauberst Erinnerungen aufs Papier. Die Zeilen entführen dich in das Land der Kindheit und wecken seine Magie wieder zum Leben.
Doch wie schließt man diese Erinnerungen auf? Wie zapfst du den Fluss der Erinnerungen an?
Ich verrate dir ein magisches Zauberwort. Nein, nicht das berühmte des Harry Potter „Arresto Momentum“ (alles, was sich bewegt, werde langsamer). Auch wenn du ein wenig die Zeit anhalten willst, wenn du Tagebuch schreibst, ist mein Zauberwort viel einfacher:
Schreib einfach:
Ich erinnere mich, ich erinnere mich, ich erinnere mich … und schon kommt die Magie ins Spiel.
Ich erinnere mich …
an diesen Apfelbaum in unserem Garten,
an die Petra in meiner Klasse mit der Brille, die ihr Glubschaugen gab,
an meinen ersten Kuss …
Jeder Gegenstand deines Lebens, jedes Wort, jedes Ereignis hat und erzählt seine eigene Geschichte. Du musst nur zuhören, dem Herzschlag des Lebens lauschen. Das stille Beobachten, das ruhige Erzählen, das etwas von sich selbst preiszugeben. Das ist das geheime Gewürz jeder guten Geschichte. Wenn du das schaffst, dann sagst du: So sehe ich die Welt und der Leser tauchst ein in deine Welt.
Dein Tagebuch ist deine Samenbank
Wenn du mit dem Zauberwort die Erinnerungen zum Blühen gebracht hast, kannst du Samen sammeln für deine Geschichten. Dein Tagebuch ist dein Zaubertasche. In ihr schlummern ganz viele Samen, die etwas zum Blühen bringen können, die der Samen für eine unvergessliche Geschichte sind. Gedanken über die Menschen, Beobachtungen von menschlichen Ticks, ganz entscheidend auch Selbstbeobachtung,
Halt deine Eindrücke fest:
Wie fühlt sich Hunger an?
Wie ist das, wenn jemand, den du liebst, stirbt?
Wie fühlst du dich, wenn du einen Menschen wiedersiehst, den du sehr liebst.?
Wie riecht der Mensch?
Wie fühlte sich der Fußboden deines Elternhauses an?
Wie war das, als du mit der Schaukel bis in den Himmel geflogen bist?
Wann wurdest du zum ersten Mal ausgelacht?
Was war dein Lieblingslied?
Wie roch es bei deinen Großeltern?
Wie hieß mein imaginärer Freund?
Wo hast du dich am liebsten versteckt?
Wie roch es im Keller?
Viel kann man über das Schreiben für Kinder sagen. Ich möchte heute nur an einem Gedanken festhalten: Für Kinder ist die Welt noch magisch. Die Welt ist so viel größer als die Fakten und Daten, mit der wir sie erklären wollen. Ihre Welt ist magisch, und wenn ich für sie erzähle, für sie schreibe, dann möchte ich die Welt mit den Augen, der Begeisterung eines Kindes sehen und entdecken.
Das ist einer der Gründe, warum ich regelmäßig zurück in die Welt meiner Kindheit reise, auch um Kinder mit meinen Worten zu erreichen. Indem ich Tagebuch schreibe. Reisen wir zusammen?"
Herzlichen Dank für diese Reise-Einladung!
Gastbeitrag von:
Ann-Kristin Vinterberg – Kinderbuchautorin und Mitglied der KinderbuchManufaktur
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